Objekte aus dem Eigentum von Henny und Siegfried Insel

Click here for the english version »

Drei besondere Sammlungsstücke im Bestand des Stadtmuseums Oldenburg stammen aus dem ehemaligen Besitz der jüdischen Oldenburger Eheleute Henny und Siegfried Insel. Die Gegenstände geben Einblick in die Geschichte der Familie Insel und in ihr leidvolles Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus. Alle vier Oldenburger Familienmitglieder wurden in NS-Vernichtungslagern ermordet.

Bei den Objekten aus ihrem Besitz handelt es sich um eine Zinnkanne, die eine Widmungsinschrift zum Hochzeitsfest trägt, und um ein Schmuckset für die Silberhochzeit, bestehend aus einem kunstvoll gefertigten Diadem und einer Anstecknadel aus versilbertem Metall. 1997 kamen diese Gegenstände als Schenkung eines Oldenburger Bürgers in die Obhut des Museums.

Seine Eltern hatten in den dreißiger Jahren freundschaftlichen Kontakt zur Henny und Siegfried Insel. Zum Anlass ihres Wegzugs aus Oldenburg im September 1936 schenkte das Ehepaar Insel ihnen die Zinnkanne und auch den Hochzeitsschmuck. Kurz nach Ihrem Umzug schrieben die „Insulaner“ aus Hannover eine Postkarte an die Oldenburger Freunde, in der sie sich herzlich „für alle Mühe“ bedankten. Vermutlich hatten sie ihnen bei der Vorbereitung des Umzugs geholfen. Diese und eine weitere Postkarte hat das Stadtmuseum 2021 als Schenkung erhalten.

Der Kaufmann Siegfried Insel, geboren 1859 in Berne, und seine Frau Henny, geboren 1873 in Hameln, waren 1903 aus der Wesermarsch in die nahe gelegene Stadt Oldenburg gezogen, wo sie ab 1911 eine große Altbauwohnung im sogenannten „Gelben Schloss in der vornehmen Roggemannstraße Nr. 25 bewohnten. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Grete, geboren 1903 in Berne, und Hermann, geboren 1910 in Oldenburg. Siegfried Insel war seit 1914 als Versicherungsagent tätig. Von 1924 bis 1933 vertrat er die Rhein-Mosel-Versicherung als deren Hauptagent in Oldenburg. 1934 verlor er diese Vertretung. Noch bis 1935 war Siegfried Insel als Kaufmann im Handelsregister der Stadt eingetragen. Ab dann versiegen auch seine beruflichen Einträge im Oldenburger Adressbuch.

Unter dem Druck der zunehmenden Diskriminierung und der wirtschaftlichen Bedrängnis aller Jüdinnen und Juden durch die antisemitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten entschieden sich Henny und Siegfried Insel im Spätsommer 1936 zu einem Umzug nach Hannover und bezogen dort gemeinsam mit ihrer 33-jährigen Tochter Grete eine kleine Neubauwohnung. Wie viele andere jüdische Bürgerinnen und Bürger in Deutschland erhofften Sie sich vom Wegzug in die Anonymität einer größeren Stadt, den alltäglichen Repressionen weniger ausgesetzt zu sein. Große Teile ihres Oldenburger Hausstands konnten sie aus Platzmangel nicht mitnehmen. Kurz vor ihrem Wegzug hatten sie dem Oldenburger Landesmuseum aus ihrem Hausrat gezielt Gegenstände zum Erwerb angeboten. Nur weniges davon konnten Sie zu stark gedrückten Preisen verkaufen.

 

Von Hannover aus emigrierten Eltern und Tochter im Februar 1939 auf der Flucht vor der deutschen Judenverfolgung nach Amsterdam, in der Hoffnung auf eine sichere Existenz außerhalb Nazi-Deutschlands. Zur Finanzierung ihrer Auswanderung musste Siegfried Insel sein Elternhaus in Berne verkaufen. Sohn Hermann war bereits 1933 nach Amsterdam gezogen. Nach dem Einfall der deutschen Wehrmacht und der Kapitulation der Niederlande im Mai 1940 war die Familie Insel wie alle anderen Jüdinnen und Juden auch dort nicht mehr sicher. Am 25. Mai 1943 wurden Henny und Siegfried Insel in Amsterdam von den deutschen Besatzern verhaftet und in das Durchgangslager Westerbork verbracht. Von dort wurden sie mit dem Zug in das NS-Vernichtungslager Sobibór in Polen deportiert, wo sie ermordet wurden. Ihre beiden erwachsenen Kinder waren bereits im Juli 1942 über Westerbork nach Auschwitz-Birkenau verschleppt worden und hatten dort das gleiche Todesschicksal erlitten.

Vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse und der persönlichen Lage wird deutlich, dass die Eheleute Insel schon 1936 bei ihrem notgedrungenen Umzug aus einer großen Oldenburger Altbauwohnung in eine kleine Neubauwohnung gezwungen waren, sich von Vielerlei zu trennen und ihren Hausrat zu reduzieren, um das Umzugsgut gering zu halten. In ihrer späteren, von der Devisenstelle geforderten Umzugsliste für die Emigration nach Amsterdam kommt Henny und Siegfried Insels Enttäuschung über diese ungewollten Umstände zum Ausdruck. Die erfolgte Schenkung von sehr persönlichen Gegenständen an eine befreundete Familie ist ebenso wie der Verkauf von Hausrat an das Landesmuseum Oldenburg in diesem Kontext zu verstehen. Für die Zinnkanne und den Silberhochzeits-Schmuck sahen die Eheleute wegen des sehr privaten Charakters der Gegenstände vermutlich auch keinen Verkaufswert. Unter den belastenden Umständen muss die damalige Schenkung von Henny und Siegfried Insel an ihre nichtjüdischen Oldenburger Freunde als ein Fall von NS-verfolgungsbedingtem Entzug bewertet werden, auch wenn die genauen Umstände nicht mehr im Detail nachvollziehbar sind. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Familie Insel unter anderen Umständen keine Veranlassung gehabt hätte, sich von diesen privaten Gegenständen zu trennen, an denen zugleich ein Stück Familiengeschichte haftet.

Daher hat die Stadt Oldenburg den Erben von Henny und Siegfried Insel eine Restitution, also eine Rückgabe dieser Sammlungsstücke, oder eine andere faire Lösung angeboten. Das Stadtmuseum steht in Kontakt zu den Nachfahren der Familie Insel, und eine offizielle Restitution ist in Vorbereitung.

 

Die Provenienzforschung am Stadtmuseum Oldenburg wird großzügig gefördert durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.

 

Fundmeldungen für die Objekte aus dem Eigentum von Henny und Siegfried Insel in der Lost Art Internet-Datenbank »

 

Gedenkblätter der internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem für die Familie Insel:

Henny Insel »

Siegfried Insel »

Grete Insel »

Hermann Insel »