Mai 1851: Korinth
Nach der anstrengenden Reise gelangten die Reisenden in Korinth an, wo ein Empfang beim Minister des Inneren Notaras stattfand. Besonders beeindruckt war Dalwigk von der Frau und Nichte des Ministers, „die schönste Griechin, die ich bis jetzt noch gesehen (...). Das Kostüm der Frauen war außerordentlich reich an Goldstickereien und Steinen, doch sind diese schönen orientalischen Gesichter so teilnahmslos, so unglaublich indolent und kalt, dass man zuletzt in Ihnen nichts mehr als ein geputztes Wachsbild zu blicken glaubt (...). Wendland und ich waren bei dem ersten Geistlichen des Ortes einquartiert, und wir fanden an unserm Wirt einen stattlichen, freundlichen Herrn, der in seinem pelzbesetzten Talar sehr würdig aussah; Bücher waren nirgends zu bemerken. Als Willkommen fanden wir einen herrlichen Confitüren-Gliko vor, was wir uns nach der Hitze und dem Staub gut schmecken ließen. Wendland sah aus seinem Zimmer, als ich ihn zum Zeichnen besuchte, gerade auf die schönen Ruinen des Minervatempels, und ich hatte den Blick nach dem Meer zu mit dem ganzen Kreis der gewaltigen Gebirgsmassen dahinter."(1,2) Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zeichnung der Ruine des Apollontempels an diesem Tag angefertigt wurde. Die Vollendung der Zeichnungen erfolgte ein paar Tage später, vor dem 7. Mai; da fand ein Ausflug zur Nymphen-Grotte am Hymettus statt.(3)
Auf dem Weg nach Korinth besuchten die Reisenden Nemea und den dortigen Tempel, einst ein bedeutender Ort, „wo sich alljährlich ganz Griechenland zu den Nemeischen Spielen versammelte, und wo jetzt kaum ein einsamer Schäfer seine Herde vorübertreibt, oder den königlichen Reisezug auf eine Viertelstunde die Gegend belebt, bis wieder alles in Schweigen versinkt."(4) Bedauerlicherweise fand Dalwigk offenbar keine Zeit zum Zeichnen. Eine Abbildung von von Stackelberg, Anfang des 19. Jahrhunderts, zeigt die Tempelruine etwa vier Jahrzehnte vor dem Besuch Dalwigks und seiner Mitreisenden. Wahrscheinlich fanden sie den Ort unverändert vor.
1 Dalwigk, S. 112.
2 Geheimer Kabinettsekretär König Ottos von Griechenland, Dr. Franz von Wendland, verstarb in München, beigesetzt 1872 auf dem Südfriedhof. Das Grab besteht noch. (Münchener Wochenanzeiger, 15.11.2006).
3 Dalwigk, S.116.
4 Dalwigk, S. 111.