Die Oldenburgische Glashütte – eine Oldenburger Erfolgsgeschichte
Hallo, mein Name ist Lemya Demirkapi, ich bin die wissenschaftliche Volontärin am Stadtmuseum Oldenburg und ich habe die Dauerausstellung zur Oldenburgischen Glashütte kuratiert. Ab September 2020 ist sie im Glaswerk (Emsstraße 18) in Oldenburg zu sehen. Das Glaswerk ist ein „Co-Working Space“ und befindet sich heute ungefähr an der Stelle, an der die ehemalige Glashütten-Anlage stand, daher der passende Name.
Die Oldenburgische Glashütte ist zwar schon seit fast 40 Jahren geschlossen, aber dennoch ist sie vielen Bürgerinnen und Bürgern in Oldenburg als lokale Erfolgsstory der Oldenburgischen Industriegeschichte in Erinnerung geblieben. Bis zu ihrer Schließung im Jahr 1983 war sie ganze 138 Jahre lang ein zentraler Betrieb für das Arbeiterviertel Oldenburg-Osternburg. Die Oldenburgische Glashütte war sogar zeitweise einer der größten Hohlglasproduzenten Deutschlands! Als Neu-Oldenburgerin war sie mir allerdings zu Beginn dieses Projektes noch völlig fremd.
Start mit erfolgreicher Bürgerbeteiligung
Als ich also die Gelegenheit bekam, mit in dieses Kooperationsprojekt einzusteigen, war ich sofort Feuer und Flamme. Zum einen möchte das Stadtmuseum mit Blick auf die kommende Schließzeit verstärkt in der Stadt vertreten sein und wird viel mit externen Partnern kooperieren. Zum anderen hat sich die Bürgerbeteiligung zu Beginn des Projektes als großer Erfolg entpuppt und wir haben viele interessante Objekte und sehr spannende Lebensgeschichten in unsere Sammlung aufnehmen können. Darüber hinaus handelte es sich um ein Ausstellungsprojekt mit stadtgeschichtlichem Bezug, so dass es auch besonders für unser zukünftiges Stadtmuseum und die neue Dauerausstellung von großer Bedeutung ist.
Auf dem Weg zur Umsetzung: Sichtung, Recherche und Sortierung der Bestände
Es war also meine große Chance, das erste Mal eigenständig ein Projekt zu übernehmen und meine erste eigene Ausstellung zu kuratieren. Aber was heißt das eigentlich? Im Grunde habe ich mich zunächst mit den Objekten auseinandergesetzt, die wir durch die vielen Oldenburgerinnen und Oldenburger erhalten haben. Gleichzeitig konnte ich unsere Museumssammlung einmal näher betrachten und mich gezielt nach einem Thema umschauen, nämlich der Glashütte. Hier habe ich unter anderem fünf originale Glasmacherpfeifen, fünf eiserne Flaschenformen und sämtliche Prototypen von Flaschen entdeckt, die bereits Anfang der 1980er Jahre vom Stadtmuseum gesammelt wurden und geduldig im Depot auf ihren Glanzmoment warteten.
Mit den alten und neuen Sammlungsgegenständen ausgestattet, konnte ich mich in Absprache mit dem Glaswerk auf eine ungefähre Größe der Ausstellung verständigen. Da wir uns auf den Fluren der Firma Glaswerk in fremden Räumlichkeiten befinden würden, durfte die Ausstellung nicht zu groß werden oder zu viel Platz einnehmen.
Ich habe die Objekte ausgewählt und die passenden Vitrinen bestellt. Darüber hinaus habe ich im Bildarchiv des Stadtmuseums gestöbert und über 60 historische Fotos gefunden, die ich unbedingt zeigen wollte, da sie die Geschichte und Entwicklung der Oldenburgischen Glashütte wirklich toll dokumentieren.
Nun war es Zeit, alle Objekte und Fotos räumlich und zeitlich einzuordnen. Während dieser Phase habe ich viel recherchiert und viel über die Geschichte der Glashütte gelesen, um sowohl die Fotos als auch die Gegenstände besser zu verstehen. Hierbei habe ich wahnsinnig viel über die Entstehung von Glas und das Handwerk des Glasmachers gelernt – wirklich sehr spannend!
In Pausen geformte Blumenvasen und Aschenbecher
Mein persönliches Highlight in dieser Projektphase waren die Gespräche mit den Zeitzeugen, den ehemaligen Arbeitern und Arbeiterinnen der Oldenburgischen Glashütte. Diese haben mir nicht nur die interessantesten Objekte übergeben, sondern die Geschichte mit ihren persönlichen Erzählungen und dem direkten Bezug ihrer Lebensgeschichte zur Glashütte für mich zum Leben erweckt.
Ein ehemaliger Betriebselektriker der Glashütte übergab mir beispielsweise einige kurios verformte Flaschen, die er – genauso wie viele seiner Kollegen damals – während seiner Pausen (oder wenn Maschinen sich im Umbau befanden) beliebig verformte und in Vasen verwandelte, damit er seiner Frau darin eine Blume schenken konnte. Auch diverse, von Hand gestaltete Aschenbecher übergab er mir für die Dauerausstellung. Davon besteht einer tatsächlich aus einer Mischung von Braun- und Weißglas – ein wahres Unikat. Seine Erzählungen haben mich regelrecht in der Zeit zurück versetzt, in eine Zeit, in der das Industrieviertel um die „Hütte“ eine ganz eigene Dynamik und Bedeutung hatte.
Bier statt Branntwein für die Arbeiter
Eine Dame übergab mir einen Brief von 1887, den sie während ihres Ferienjobs in der „Hütte“ 1981 im Keller gefunden hatte und welchen sie mitnehmen durfte. Diesen Brief schrieb der damalige Direktor der Glashütte, August Schultze, an das großherzogliche Verwaltungsamt, um nach einer Genehmigung für einen Lagerbier-Ausschank zu bitten. Seine Arbeiter würden zu viel Branntwein konsumieren und Kaffee würden sie nicht wollen, daher bräuchte er die Erlaubnis für diese Alternative. Auf der Rückseite des Briefes ist tatsächlich die Antwort des Amtes mit der Genehmigung und den damit verknüpften Bedingungen. Ein Originalbrief mit so einer amüsanten Anfrage von 1887 ist wirklich ein faszinierendes Objekt und ein echter Glücksgriff für unsere Sammlung.
Lebendige Geschichte durch die Menschen im Stadtteil
Dieses Projekt hat mir wirklich großen Spaß gemacht und mich vieles gelehrt, nicht nur in Sachen Museumsarbeit. Die Menschen nehmen nach wie vor großen Anteil an den Veränderungen in ihrem Stadtteil und reagieren mal positiv und mal negativ auf die Stadtentwicklung. Die Geschichte der Oldenburgischen Glashütte ist also eine Geschichte von den Menschen, die Oldenburg-Osternburg geprägt und belebt haben. Schade, dass die Hütte schließen musste. Sie war quasi der Kern und der Ursprung der Ansiedlung. Aber wer weiß, vielleicht steht die nächste Entwicklung schon wieder vor uns und der oder die nächste Jungunternehmer/in gründet eine Glasfabrik in Oldenburg. Gerade im Sinne der Nachhaltigkeit sollten wir doch mehr auf Glasflaschen setzen, oder etwa nicht? Man sieht, Glas hat Zukunft und schafft Arbeitsplätze für dankbare Anwohnerinnen und Anwohner.