Auf den Spuren des Verbrechens: Was „Tatort Osternburg“ so besonders macht

Stadtgeschichte gibt es nicht nur im Museum. Stadtgeschichte gibt es vor Ort. Jede Straße und jedes Haus in Oldenburg hat seine Eigene – mal größer, mal kleiner. Das weiß auch Stadt- und Kirchenführerin Christine Krahl, die mal zu Fuß und mal auf dem Fahrrad, im Auftrag des Oldenburger Stadtmuseums unterwegs ist. Neben klassischen Führungen bietet die Osternburgerin auch thematische Führungen an. Besonderes Highlight: „Tatort Osternburg“. Keine andere Exkursion ist so schnell ausgebucht und bekommt ständig neue Zusatztermine wie die Radtour, die auf den Spuren des Verbrechens durch den Oldenburger Stadtteil führt. Doch warum ist gerade diese Tour so beliebt? Ein Selbstversuch soll Licht ins Dunkel bringen.

An einem warmen Donnerstag um 18 Uhr auf dem Osternburger Markt geht es für mich los. Die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen zumeist aus Osternburg. „Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden wohnen hier im Stadtteil. Andere kommen aus angrenzenden Stadtteilen wie Kreyenbrück. Das passt gut, denn auch hier sind wir bei der Tour unterwegs“, berichtet Christine Krahl. Die Tour führt durch den Wunderburgpark, über den Utkiek, vorbei an kleineren und größeren Wohnsiedlungen. Und immer wieder gibt es kleine Zwischenstopps, an denen Christine Krahl über die kriminelle Vergangenheit des Stadtteils berichtet: von einer Messerstecherei, die bei einer Trauerfeier stattgefunden hat, von einem Streik, der aus dem Ruder gelaufen ist und von dem Galgen, der zu Graf Anton Günthers Zeiten auf dem Hof Stübenhaus stand.

Die Tour bietet eine vielseitige Mischung aus alten, historischen Ereignissen und Fällen, die erst wenige Jahre alt sind. Besonders ein Fall aus dem Jahr 1981 weckt viel Gesprächsbedarf. Gerade die Osternburgerinnen und Osternburger, die mit mir unterwegs sind, erinnern sich an das Verschwinden des Jungen: Sie berichten von der Suche, dem Auffinden des Leichnams am folgenden Tag und der Fahndung nach den verantwortlichen Personen. Dabei geht es niemandem um Sensationslust, sondern darum, die Tat zu verstehen und Erinnerungen an diese Zeit zu teilen – trotzdem wird es still, als wir die Wiese vor dem Bahndamm, wenige 100 Meter vom Fundort des Jungen entfernt, wieder verlassen und auf unsere Räder steigen.

Schon an diesem Punkt merke ich, dass die Tour durch Osternburg sicherlich nicht für jeden etwas ist. Kriminalität schreckt ab – und ist zeitgleich spannend und interessant. Denn nicht nur in Osternburg ist man dem Verbrechen auf der Spur. Egal, ob Hamburg Dungeon, auf den Spuren von Jack the Ripper in London oder Krimi-Führung durch das historische Berlin: Verbrechen sind im Trend, das sogenannte True-Crime-Genre boomt. Gerade in den letzten Jahren kommen immer mehr Filme, Serien und Podcasts, die sich realen Kriminalfällen widmen, auf den Markt. TV-Sendungen wie „Aktenzeichen XY“ und Werke wie „Schuld“ von Ferdinand von Schirach gehören übrigens ebenfalls zum Genre.

Das Interesse an realen Kriminalfällen ist somit nichts Neues. Doch gerade Stadtführungen wie „Tatort Osternburg“ zeigen die eigene Nachbarschaft, die schon seit Jahren kennt, nochmals aus einem ganz anderen Blickwinkel. Dabei eröffnen gerade die historischen Fälle einen neuen Blickwinkel auf die Entwicklung des Stadtteils: Denn Christine Krahl zeigt uns bei der Tour nicht nur die Schauplätze von Verbrechen, sondern erklärt diese und setzt sie in einen Kontext. So lerne ich beispielsweise, warum ein Streik 1894 dazu führte, dass zehn zusätzliche Polizisten dauerhaft in Osternburg stationiert wurden und warum die Osternburger bis zum 17. Jahrhundert nicht in die Oldenburger Zünfte eintreten durften.

Bei „Tatort Osternburg“ berichtet Christine Krahl nicht nur von Gaunereien, Mord und Totschlag. Die Radtour selbst ist ebenfalls gut durchdacht und führt durch die schönen, ruhigen Ecken des Stadtteils. „Bei der Planung einer solchen Tour kommt es nicht nur auf interessante Geschichten an den Haltepunkten an, sondern auch auf die Tour. Ampeln, Hauptstraßen und links abbiegen versuche ich zu vermeiden“, erklärt die Stadtführerin.

Das letzte Mal war sie sicherlich nicht auf dieser Strecke durch Osternburg unterwegs: Die nächsten bekannten Termine sind bereits ausgebucht. Ideen für neue Strecken sammelt Christine Krahl auch, denn Osternburg ist genauso kriminell wie die anderen Oldenburger Stadtteile. Genug Material gibt es also.

Die nächsten Termine für die Exkursion Tatort Osternburg" gibt es in der Veranstaltungsübersicht »