Rückschau

Stadtmuseum und The Hidden Art Project

Im Frühsommer 2020 präsentierten die Künstlerlinnen und Künstler, die sich im The Hidden Art Project zusammengeschlossen hatten, ihre Werke auf einer leerstehenden Ladenfläche. Auch unser Museum steht demnächst leer, damit die Bauarbeiten für den Neubau beginnen können. Für das Team des Stadtmuseums beginnt dann eine neue Phase, in der wir uns öffnen und das gesamte Stadtgebiet für Veranstaltungen und Ausstellungen nutzen. Die „Neuen Konturen“, im Januar und Februar 2021 waren unser Abschiedsprogramm und markierten zugleich einen Neustart. Dabei haben wir mit dem Künstlerkollektiv The Hidden Art Project kooperiert. Wegen der Corona-Pandemie mussten wir umplanen und konnten die Kunstwerke nicht in unseren Räumlichkeiten zeigen. Die Künstlerinnen und Künstler nutzten stattdessen das Museumsgebäude und den Außenbereich für ihre Werke. Die Installationen wurden eigens für den Anlass angefertigt und auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt. So schafften wir gemeinsam einen neuen, öffentlichen Raum für Kunst- und Kultur - auch und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie.

Das Programm "Neue Konturen" endete am 28. Februar 2021. Die Fotografin Nika Kramer und das Filmteam des Karl Aua Kollektivs haben die Kunstwerke eindrucksvoll fotografisch und filmisch in Szene gesetzt. Wir präsentieren sie Ihnen auf unserer Website in einer ausführlichen Rückschau.

Der Film zu den "Neuen Konturen"

Fotografische Eindrücke

Gesellschaftlicher Umbruch durch die Corona-Pandemie

Während der Corona-Pandemie findet ein gesellschaftlicher Umbruch statt. Corona zwingt viele von uns in eine neue Form der Realität. Bedrückende Gefühle nehmen zu, während der Alltag von den häufig als einschränkend empfundenen Corona-Bestimmungen beeinflusst wird. Aber aus der Krise erwächst auch Positives. So gegensätzlich diese Pole sind, so unterschiedlich sind auch die Wahrnehmungen und Erfahrungen, die jeder einzelne von uns mit der Pandemie macht.

Mit den Installationen am und vor dem Stadtmuseum interpretieren die Künstlerinnen und Künstler von The Hidden Art Project auffällig und dynamisch die unterschiedlichen Erlebnisse der Menschen während der Pandemie. Dazu werden auch akustische sowie visuelle Elemente eingesetzt, die durch Statements von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Oldenburg sowie durch die Nutzung historischer Dokumente eine außergewöhnliche Abstraktion vom “Ist”-Zustand generieren – von der Vergangenheit bis hin zum Blick in die Zukunft.Die Kunstwerke sollen die Besucherinnen und Besucher dazu  anregen, ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen des Jahres 2020 zu reflektieren.

Das Künstlerkollektiv und seine Werke

Als Künstlerkollektiv erarbeiteten Sven Müller, Hauke Beck, Daniel Morris, Lena Withot, Reinhard Blank, Georgios Kolios, Michael Olsen, Nicholas Tamagna, Hemant Godara, Katharina Shakina, Linda Bäppler, Felipe Dias und Angelique Huxol die Installationen und Performances. Sie werden durch die Fassadengestaltung von Renke Harms und Sebastian von Zeberg ergänzt.

Fragmentierung des Ichs

In einer raumnehmenden Installation aus dreieckigen Spiegeln werden die Fragmentierung, die Vereinzelung und die Multiperspektivität unserer Gesellschaft seit Anfang des Jahres 2020 dargestellt. Die circa sechs Meter hohe Installation wächst aus dem Boden an der Fassade des Stadtmuseums empor. Die Betrachtenden stehen vor einer Vielzahl an Spiegelflächen. Sie sehen darin ihre Umgebung, sich selbst verfremdet in Vielfachspiegelung oder gar nicht. Hier soll das Gefühl der sich stetig verändernden Realität erlebbar gemacht werden. Ändern die Betrachtenden ihre Position, verändert sich auch ihre Sicht. Ein Perspektivwechsel wird möglich. Die Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung der Umwelt werden durch die Multiperspektivität surreal. Die alltägliche Wahrheit wird zu einem nicht greifbaren Begriff und bedarf einer Neuinterpretation.

Neue Etikette

Menschen auf der ganzen Welt sind dazu angehalten sich gegenseitig zu unterstützen und sich gedanklich die Hände zu reichen. Doch der Corona-Virus verhindert den tatsächlichen Handschlag, es muss Abstand gehalten werden. Dafür finden Menschen neue Wege des Miteinanders: Nachbarn verabreden sich an der Grundstücksgrenze, stehen auf ihren Balkonen und musizieren gemeinsam, bieten Hilfe bei Besorgungen an und reichen sich in dieser Form symbolisch die Hände. Das große Wandbild an der Schieferfassade des Stadtmuseums von Renke Harms und Sebastian von Zeberg („die Jungs“) soll auf unsere gewohnte und nun unangebrachte Etikette hinweisen. Außerdem soll es zum Reflektieren dazu animieren, in welcher Form wir uns auch ohne direkten physischen Kontakt die Hände reichen können.

Ein Interview durch die Krisen

Die Videoinstallation im Fenster der ehemaligen Museumsbüros verknüpft die Gegenwart mit der Vergangenheit. Es steht die Frage im Mittelpunkt, wie die Stadtgesellschaft in den letzten Jahrhunderten in Anbetracht schwerer Krisen gedacht und gefühlt hat. Wie haben turbulente Zeiten die Oldenburgerinnen und Oldenburger verändert? Wie wurden Lösungsstrategien zur Bewältigung der Krise entwickelt? Die Schauspielerin Katharina Shakina spielt gemeinsam mit ihrem Kollegen Yasin Özen vom Oldenburger Staatstheater fiktive Interviews von Zeitzeugen nach, die auf historischen Texten basieren. In einem vielschichtigen Video werden sie von Lena Withot mit aktuellen Interviews verschnitten um die Universalität von Gefühlen in Krisenzeiten aufzuzeigen.

 

real or fake?

Durch die geschlossenen Glastüren des alten Eingangs des Stadtmuseums blicken Besucherinnen und Besucher in eine 16 Meter lange, hölzerne Spirale, die sich in die Blickrichtung verengt. Sie symbolisiert den Weg durch die Zeit und den Weg des Wissens. Die Betrachtenden werden dabei mit einer Vielzahl von Behauptungen konfrontiert. Ein Strudel der Desinformation oder ein Archiv vieler Wahrheiten entsteht, der im Alltag für Verwirrung sorgt. Was darf geglaubt werden und was ist Fiktion? Durch die Einfärbung der Glasscheiben werden unterschiedliche Perspektiven auf das Objekt ermöglicht. Allein durch die symbolische Veränderung der eigenen Position kann eine neue Sichtweise erlangt werden. Die Installation steht in Symbiose mit der in ihr stattfindenden Fusion aus Theaterstück und Performance von Nicholas Tamagna, Heman Godara und Katharina Shakina. Wegen der Corona-Pandemie können wir aktuell leider keine konkreten Spielzeiten anbieten. Aktuelle Informationen finden Sie dazu auf unserer Internetseite.

Mann aus der Enge

Die Skulptur „Mann aus der Enge“ von Waldemar Otto, die sich vor dem alten Eingang des Stadtmuseums befindet, wird neu interpretiert. Eine Installation zeigt einen übergroßen Versandkarton, aus dem Begehrlichkeiten des Überflusses herausfallen. Die Installation rund um das ursprüngliche Kunstwerk thematisiert das veränderte Konsumverhalten der Gesellschaft in der aktuellen Pandemie. Durch die Corona-Beschränkungen hat sich der Trend zum Online-Shopping beschleunigt. Einige wenige Firmen profitieren davon, zu Lasten des heimischen Handels in den Innenstädten. Die Verschiebung des Kaufverhaltens hat viele Gründe, wird jedoch durch die aktuelle Situation beschleunigt. Als Metapher für unser Konsumverhalten und den daraus resultierenden Profiteuren, befreit sich der „Mann aus der Enge“ aus der Zwanghaftigkeit unsere Gesellschaft. Die Installation ist eine Aufforderung, die bisherigen Konsummuster zu hinterfragen und sich stärker auf die lokale Wirtschaft zu konzentrieren.

Notausgang

Der Titel der Installation, Notausgang, bezieht sich auf die einstige Funktion des Objektes. Ursprünglich diente das, aus dem Boden ragende, gläserne Konstrukt als Notausgang einer Tiefgarage. Das Glas wurde mit farbigen Folien gestaltet und ist von innen beleuchtet. Zudem sind auf den Scheiben Wörter und Sätze zu lesen, die die positiven Veränderungen der aktuellen Corona-Krise hervorheben und zu einer langfristig optimistischen Perspektive animieren sollen. Trotz der vielen Entbehrungen, Umstellungen und negativen Auswirkungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, birgt die Zeit des Umbruchs ein Potential für nachhaltige und positive Veränderungen.

Förderung

Die Ausstellung wurde gefördert von der Kulturstiftung der Öffentlichen Oldenburg, der Stiftung Kunst und Kultur der Landessparkasse zu Oldenburg und der Oldenburgischen Landschaft.