Provenienzforschung wird weitergeführt

Nach der Bewilligung einer weiteren Förderperiode durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste führt das Stadtmuseum Oldenburg die Forschung zur Provenienz der Sammlungen fort. Dabei soll nachvollzogen werden, wem die Objekte in der Vergangenheit gehörten und ob sie Ihren ehemaligen Eigentümern in den Jahren der NS-Herrschaft geraubt oder auf andere Weise unter dem Druck der Verfolgung entzogen worden sind. Die Provenienzforschung konzentriert sich dabei auf bereits bestehende konkrete Verdachtsfälle und weitere ausgewählte Bestände. Das neue Forschungsprojekt wird durch die Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Sabine Stührholdt betreut, die bereits die bisherigen Recherchen zur Herkunft der Sammlungsbestände des Stadtmuseums durchgeführt hat. „Die eigene Geschichte genau zu kennen und zu verstehen ist die Voraussetzung dafür, gute Entscheidungen für die Gegenwart und Zukunft zu treffen,“ erläutert Dr. Steffen Wiegmann, Leiter des Stadtmuseums. „Die Provenienzforschung ist hier ein wichtiger Baustein in unserer Arbeit, die eigene Sammlung transparent und konzeptionell-inhaltlich gut aufzustellen.“

Das neu begonnene Forschungsprojekt befasst sich mit den rege getätigten Erwerbungen der Nachkriegszeit ab 1946. Das Stadtmuseum Oldenburg hatte in den Jahren der NS-Zeit nur begrenzte Möglichkeiten, seine Sammlungen durch Ankäufe zu erweitern. Nach dem Krieg begann die Museumsleitung, die langen Einschränkungen mit zunehmender Ankauftätigkeit zu kompensieren. Ab 1947 steigt die Zahl der Neuerwerbungen deutlich an, vor allem in Bereich der Bildenden Kunst, darunter Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts sowie der Klassischen Moderne. Diesen Sammlungsschwerpunkten gilt die besondere Aufmerksamkeit des Projekts. Bisher sind 144 Erwerbungen auffällig geworden, deren Provenienz nun geprüft wird.

Ein konkreter Verdacht ruht auf dem frühen expressionistischen Gemälde Die Welle von Franz Radziwill, das vormalig dem jüdischen Oldenburger Arzt Dr. Georg Rosenthal gehörte. Für eine Radziwill-Ausstellung der Vereinigung für junge Kunst im Augusteum in Oldenburg stellte Rosenthal das Gemälde bereits im Herbst 1925 zur Verfügung. Erst später gelangte es in den Besitz des Oldenburger Arztes Dr. Georg Düser, der seinerseits mit Radziwill befreundet war. „Um bewerten zu können, ob ein Unrecht zugrunde liegt, ist es notwendig die genauen Umstände dieses Eigentümerwechsels herauszufinden“, erklärt Sabine Stührholdt.

Zu den weiteren Verdachtsfällen zählen Ankäufe, die 1947 und 1948 bei dem Buch- und Kunsthändler Wilhelm Oncken getätigt wurden. Der Oldenburger war in den Kriegsjahren von 1942 bis 1944 am NS-Kulturgutraub in den besetzen Niederlanden und in Belgien beteiligt. Zu den betreffenden Werken gehört die Radierung Der Bäcker, der das Horn bläst des niederländischen Künstlers Adriaen van Ostade, entstanden um 1664.

Begonnen hatte die kritische Bestandsaufnahme der Sammlungen des Stadtmuseums 2015 mit einem kurzfristigen Projekt zur Erforschung des Nachlasses des Oldenburger Malers Bernhard Winter. Daraufhin wurden von Oktober 2016 bis August 2020 etwa 1700 Kunsterwerbungen, die in den Jahren 1933 bis 1945 Eingang in die Sammlungen des Stadtmuseums fanden, systematisch untersucht.

Franz Radziwill, Die Welle, Öl/Leinwand, 1921/22 © Stadtmuseum Oldenburg